Archiv der Kategorie: Sammlung

Beobachtungen unter dem Hammer

© Barbara Ottawa

© Barbara Ottawa

Gelesen haben es fast alle (LINK), miterlebt haben es einige: Die Embacher-Kollektion ist versteigert. Über 200 Fahrräder, die sich bis vor kurzem einen Dachboden geteilt haben, sind jetzt in alle Winde verstreut – hoffentlich im Sinn des englischen Wortes „dissemination“, damit sie dort, wo sie jetzt sind Früchte tragen und den Geist des Fahrradfahrens weitertragen.

Was aber fast noch spannender war als die Auktion selbst, waren die Randerscheinungen: Schon als ich am Vormittag mein Fahrrad vor dem Dorotheum für eine Vorab-Besichtigung der Objekte abstellte, merkte einer der Bauarbeiter, die gerade die Außenfassade des Palais sanieren, an: „Des werden jo immer mehr“ – die Fahrräder nämlich.

© Barbara Ottawa

© Barbara Ottawa

Spätestens am Abend war dann klar, dass heute nicht die üblichen Möbel, Schmuckstücke, Gemälde oder Bücher unter den Hammer kamen. Fahrrad an Fahrrad war aus Mangel an anderen Parkmöglichkeiten an den vergitterterten Kellerfenstern des Dorotheum angebracht. Viele davon hätten bei der Auktion wahrscheinlich auch einen guten Preis erzielt. U.a. ein Moulton, das nur mit einem „Ketterl“ befestigt war.

Im Saal zeigte sich dann die Teilung der Anwesenden in Fahrradfahrer mit „Vintage-Faible“ und den Technik- bzw. Trophäen-Sammlern. Wobei nicht ganz klar ist, wie viele davon beides in sich vereinten. Auf jeden Fall merkte der Auktionator gleich zu Beginn an, dass er heute einige „Neulinge“ im Saal sehe. Deshalb erläuterte er etwas ausführlicher als sonst die „Spielregeln“. Besonders wies er darauf hin, wenn er selbst das Angebot erhöht, das nicht sein eigenes Gebot darstelle, sondern dass er im Namen eines Bieters handle, der zuvor eine gewisse Höchstsumme beim Dorotheum bekannt gegeben hat, bis zu der er mitsteigern will. Oder kurz gesagt: „Das bin dann nicht ich, der gegen Sie steigert!“

Großes Kino waren dann auch ein paar filmreife Faux-Pas, die der Auktionator aber geduldig ausbügelte: Als das Gebot für ein Fahrrad bei 8.000 Euro stand, winkte ein Herr im Publikum einem gerade dem Saal betretenden Freund zu, um ihm anzuzeigen, wo er sich hinsetzen könne. Anmerkung des Auktionators: „Winken bei einer Auktion ist vielleicht nicht so geschickt.“ Und ein paar Hunderter-Schritte später wandte er sich wieder an den Winker: „Vielleicht wollen Sie jetzt ja doch noch einsteigen.“

Ein anderer hielt im Ersteigerungsfieber seine Karte mit der Bieter-Nummer verkehrt hoch, so dass die Zahl zunächst nicht zu sehen war. Kommentar des Auktionators, der den Zuschlag erteilen wollte: „Die Nummer wäre jetzt noch gut!“ Ein anderer hielt für ein Foto sein iPad hoch an dessen Unterseite er die Nummer festhielt, bemerkte seinen Fehler aber gerade noch bevor seine Aktion das Gebot hochtreiben konnte.

Alles in allem ein interessanter Abend, mit viel Kopfschütteln über teilweise erzielte Preise, Freude, dass Fahrräder so viel Anklang finden und einem weinenden Auge, dass die Kollektion nicht zu einem größeren Teil zusammengeblieben ist.

© Barbara Ottawa

© Barbara Ottawa

Bye Bye Embacher Collection

Embacher Collection im Dorotheum, Mai 2015

Embacher Collection im Dorotheum, Mai 2015

Noch bis zum 19.05. kann man im Dorotheum die zum Verkauf stehende Fahrrad-Sammlung des Wiener Architekten Michael Embacher besichtigen.

Die Sammlung gehört zu den weltweit meist beachteten. Ausstellungen im MAK – Österreichisches Museum für angewandte Kunst, im Portland Art Museum (Oregon, USA), im Design-Museum Holon (Israel) und im Wiener Museums-Quartier hoben ihre Bedeutung über die Jahre hervor.

Das MAK und Michael Embacher ermöglichten 2013 dem Vienna Tweed Ride einen durch Embacher selbst geführten Besuch der Ausstellung „Tour de Monde“, woran wir immer sehr gerne zurückdenken.

Embacher machte in der Vergangenheit seine Sammlung auf Anfrage jedem gerne zugänglich, es gab zwei wunderbare Bücher, sogar eine App und die erwähnten Ausstellungen.

Doch niemals (auch nicht auf Embachers Dachboden) konnte man die guten Stücke so kompakt und genau und von allen Seiten betrachten wie derzeit im Dorotheum.

Noch ein letztes Mal lassen sich Rahmen und Ausstattungs-Konfigurationen in aller Ruhe am Original studieren. Diese Chance sollte man ergreifen! Nach Rahmenfarbe geordnet wird die Sammlung in einem Saal im ersten Stock des Dorotheums präsentiert. Die Anordnung mag zunächst eigenwillig anmuten, ergibt aber Sinn. Durch die farbliche Ordnung wird die dichte Aufstellung nicht buntscheckig, die gemischten Typen dagegen halten den Blick für das Besondere jedes Stückes frisch.  Immerhin sind im Katalog 202 Exponate aufgeführt.

Apropos Katalog: auch hier geht Embacher eigene Wege. Der Katalog ist formal-konsequent im Stile eines Farbfächers angelegt. Durch die Fülle der Seiten daher leider nur bedingt handlich, dafür übersichtlich und platzsparend im Bücherschrank. Preis: EUR 30,– (nur im Dorotheum erhältlich, oder online dort bestellbar; ein Tipp für Sammler).

Ein Wort zum Zustand und den Ausruf-Preisen: Alle Räder sind weitgehend original erhalten, damit ist bei einigen (sehr wenigen) Exemplaren auch die Fahrtüchtigkeit nur eingeschränkt gegeben. Wenn es nicht gerade Einzelstücke oder extrem rate Exemplare sind, dürfte auch der Ausruf-Preis für ernsthaft Velo-Affine keine Abschreckung sein. Man darf auf die erzielten Preise gespannt sein!

Hier Impressionen meiner Lieblingsstücke (leider nur Handyfotos)

Vorbesichtigung noch bis zum 19.05.2015
Auktion am: 19.05.2015 um 17:00
Palais Dorotheum, Dorotheergasse 17, 1010 Wien

Weiterführende Links:
Publikationen zur Sammlung: Bibliographie
Onlinekatalog der Auktion: Bicycles from the Embacher Collection
Website der Embacher Collection: Embacher Collection