Archiv der Kategorie: Rahmenbau

PUCH – identitätsstiftend in Sachen Fahrräder

Katalog Ausschnitt, 1969er Jahre, Slg. Ehn, Fahrradmuseum Sigmundsherberg

Katalog Ausschnitt, 1969er Jahre, Slg. Ehn, Fahrradmuseum Sigmundsherberg

Im Keller des Wohnhauses meiner Oma stand, sorgfältig verpackt, das Waffenrad meines Vaters. Schon mit 12 Jahren besaß ich mehr als nur ein Fahrrad. Was mir aber am meisten fehlte, war genau dieses Waffenrad. Noch war es mir zu groß. Es folgte eine lange Wartezeit, in der mein Verlangen heftigen Ablenkungen ausgesetzt wurde: einem Puch Vent Noir Rennrad, das sich der Vater der befreundeten Nachbarskinder leistete. Wenn er nach einer Ausfahrt mit seinem surrenden Freilauf im Hof einrollte und danach penibel die Mechanik servicierte, konnte mich nichts davon abhalten, ihm dabei Gesellschaft zu leisten. Das Vent Noir blieb ein Traum, so wie auch das Waffenrad. Bevor ich es noch in Besitz nehmen konnte, wurde es zum Alteisen gebracht. Meine Eltern halfen mir über die folgende schwere Zeit, indem sie mich schließlich mit einem Halbrenner versorgten, leider kein Clubman. Ein Puch-Fahrrad besaß ich trotzdem: den gelben Highriser mit Bananensattel und einer 3-Gang Oberrohr Knüppelschaltung von Sachs. Das Fahrrad war zwar trotz Tuningmaßnahmen als Fortbewegungsmittel nur eingeschränkt zweckmäßig, reziprok zum Coolness-Faktor der freilich jenseits der Messbarkeit lag.

Ähnliches werden wohl viele erlebt haben, die ihre Fahrrad-Sozialisation in Österreich erhielten. Unscharfe Erinnerungen an blitzenden Lack, grüne Trikots und verwitterte, ölige, schwarze Stahlrahmen. 

Die Geschichte der PUCH-Fahrräder

Die Geschichte der PUCH-Fahrräder. ISBN: 978-3-7059-0381-4 Weishaupt Verlag

Die beiden Fahrradhistoriker Walter Ulreich und Wolfgang Wehap haben eben im steirischen Weishaupt Verlag ein Buch herausgebracht, dass sich mit der Geschichte der Puch Fahrräder auseinandersetzt. Sie stellen der Öffentlichkeit damit erstmals wissenschaftlich gesicherte Informationen zu diesem Thema zur Verfügung. Alle bis zu diesem Zeitpunkt erschienenen Rezensionen legen den Schluss nahe, dass dieses Buch ein Standardwerk werden wird.

Anlässlich der Buchpräsentation am 4.3. in Wien konnte ich Walter Ulreich einige Fragen zu Puch und den Fahrrädern stellen:

David Was ist Dein persönlicher Zugang zum Puch Fahrrad?

Walter Angefangen hat es damit, daß mir niemand sagen konnte (Fahrradhändler, Freunde, Bekannte), wie alt die Fahrräder sind, welche ich damals vom Sperrmüll zusammensammelte. Damals (also Mitte 1980er) studierte ich an der Universität Wien und entdeckte die vielen alten Fahrradzeitschriften in der Universitäts-Bibliothek. Da hab ich dann viel gelesen und exzerpiert. Dann organisierte ich eine Ausstellung mit den Depot-Fahrrädern des Technischen Museums Wien und verfaßte den Katalog dazu, damit war ich auch schlagartig international bekannt, wurde Herausgeber der Zeitschrift der ‚International Veteran Cycle Association‘, bald ihr Präsident und hielt nahezu weltweit Vorträge zum Thema österreichische Fahrradgeschichte. Ich stellte ein Archiv zur Fahrradgeschichte zusammen und publiziere, halte Vorträge und organisiere Ausstellungen. Die größte bisher war in Schloß Schwarzenau 1994. Mein Zugang zum Puch Fahrrad war die Erkenntnis, daß es die wichtigste Firmengeschichte auf diesem Gebiet in Österreich ist und bisher ungeschrieben. Mein Buch zum Steyr Waffenrad (red. Anm.: ersch. 1995) war sozusagen eine Probe, ob es dafür einen Verleger und Leser gibt, und wie so eine Geschichte aufbereitet werden kann. Sobald das klar war, habe ich an dem Puch-Buch zu arbeiten begonnen. 

D Wie lange beforschen Wolfgang Wehap und Du dieses Thema schon? 

W Für Fahrradgeschichte allgemein: Ich seit etwa Mitte der 1980er Jahre, Wolfgang seit 1999, für die Fahrradgeschichtswerkstatt im Vorfeld der Velocity Conference in Graz/Maribor. Für das Puch-Buch: Ich seit 1996, Wolfgang ist im April 2014 eingestiegen. 

D Was macht die Faszination der Puch Fahrräder aus?

W In Österreich ist Puch identitätsstiftend in Sachen Fahrräder, die wichtigste Fahrrad-Firma. Hatte feine Rennräder und unverwüstliche Gebrauchsräder. Auch internationaler Erfolg.

D War Johannes Puch eher Konstrukteur oder Unternehmer? 

W Für mich eher Unternehmer, die ersten Fahrrad-Patente waren unter Johann Puch angemeldet, aber das war auch der Firmen-Name. Ich denke, daß er die Technik eher delegierte.

D Gab es bei Puch eigentlich auch so etwas wie avantgardistische Kuriositäten oder exotische Innovationen bei Rahmen und Komponenten, die dann in Vergessenheit gerieten?

Designstudie Zeitfahrmaschine 1985. Slg Ehn, Fahrradmuseum Sigmundsherberg

Designstudie Zeitfahrmaschine 1985. Slg Ehn, Fahrradmuseum Sigmundsherberg (Man beachte auch die Kurbel …)

W Die frühe Beschäftigung mit Aluminium ist interessant, bei Innovation war Puch selber eher konservativ. So lehnte er den Freilauf am Fahrrad anfangs vehement ab. Neue Wege in der Verzierung der Fahrradrahmen durch geätzte Motive und Firmennamen und die berühmte ‚Vollscheibe‘ waren originär von Puch, später von vielen Firmen der österreichisch-ungarischen Monarchie kopiert. Die spektakulären Puch Prototypen zwischen 1978 und 1986 waren richtungsweisend, wurden aber nicht zur Serienreife gebracht.

D In Alt-Österreich und in der ersten und zweiten Republik wurde ja auch Stahl hergestellt, leistete man sich so etwas wie Produktforschung, oder wie kann man sich das vorstellen?

W Puch verwendete von Anfang an den besten steirischen Stahl, legte Wert auf höchste Qualität und kaufte die besten Werkzeugmaschinen am Markt. Auch hier ist die frühe Beschäftigung mit Aluminium bemerkenswert.

Plakat 1891 Steiermäkisches Landesarchiv

Plakat 1891 Steiermäkisches Landesarchiv

D Zum Mythos Waffenrad: was genau macht ein Waffenrad aus, wurden Waffenräder nur von Puch gebaut?

W Ich ersuche mein Buch zum Thema zu lesen 😉 Im Ernst, das Waffenrad kam zu Puch ja erst mit der Fusion 1934, die ‚Österreichische Waffenfabriks-Gesellschaft‘ (Hersteller des Waffenrades) war vorher einer der größten Konkurrenten von Puch. Das Waffenrad hatte das Image des ‚unkapputbaren‘ Fahrrades schon lange bevor dieser Begriff entstanden ist, dieses Image wurde bei Puch natürlich weitergepflegt. Selbst heute noch gibt es den Markennamen Waffenrad und er hat einen guten Klang in Österreich. 

D Mythos Rennrad: Wie gut war Puch wirklich im Vergleich zu Rennrad-Traditionsmarken wie Peugeot, Bianchi, Raleigh und all den anderen?

W Rennräder gab es von Anfang an, die Rennmaschinen vor und um 1900 waren auf der absoluten Höhe ihrer Zeit, absolut vergleichbar mit der führenden englischen Produktion. Dann war eher Pause mit guten Rennrädern, von der Zwischenkriegszeit bis zum Anfang der 1970er gab es kaum erfolgsversprechende käufliche Rennräder, die Mistral-Ultima-Serie der 1980er war schon vom Preis her als Top-Maschinen gekennzeichnet, auch die Qualität war top wie die der besten italienischen Rennräder.

D Für Sammelanfänger: welche Fehler sollte man bei der Anschaffung und beim Aufbau vermeiden? Sind Puch Räder, die nach 1987 (als die gesamte Fahrradproduktion nach Italien ging) gebaut wurden, ein Teil des Mythos?

Plakat Mistral, Archiv Ulreich

Plakat Mistral, Archiv Ulreich

W Ich halte wenig vom Modernisieren historischer Fahrräder. Ein Fahrrad aus den 1920er oder 30er Jahren ist heute noch gut und durchaus wohlfeil zu bekommen, sollte aber mit höchstens neuen Reifen modernisiert werden. Bremsen und Lichtanlagen dieser Jahre funktionieren, wenn technisch in Ordnung, auch heute noch. Sie bedingen eine weniger forsche Gangart, ein wenig mehr Vorausschau und Sorgfalt im Umgang. Ein altes Fahrrad ist immer auch eine Zeitreise-Maschine. Man sollte sich auf die alte Technik einlassen und man wird Erfahrung ernten. Die alte Technik erzählt von früheren Zeiten, man braucht nur zuzuhören. Die Produktion von Puch Fahrrädern nach 1987 hat derzeit noch wenig vom Puch-Flair, wird aber auch einmal Sammler finden. 

D Danke für das Interview!

Ulreich, Wehap: Die Geschichte der PUCH-Fahrräder, 22,5 x 26,5 cm, 400 Seiten mit ca. 500 farb. Abbildungen, Hardcover mit Schutzumschlag. Weishaupt Verlag, Gnas. 2016. ISBN: 978-3-7059-0381-4 Das Buch enthält ein englisches Summary.

Informationen zu dem Buch auf der Webseite des Verlages

Wichtiger Hinweis für Puch-Fans: noch bis zum 1.8.2016 kann man beim Foto- und Video Wettbewerb „Ich und mein Puch-Fahrrad“ mitmachen. Näheres unter dem Verlagslink.

Das Buch ist im gutsortierten Buchhandel erhältlich. Falls der örtliche Buchhändler das Buch nicht vorrätig hat, kann dieser es leicht in 2-3 Werktagen besorgen. Man muss also keinen Online-Buchhändler bemühen.

Schon gesehen in der Buchhandlung im Stuwerviertel Stuwerstraße 42, 1020 Wien

 

Bye Bye Embacher Collection

Embacher Collection im Dorotheum, Mai 2015

Embacher Collection im Dorotheum, Mai 2015

Noch bis zum 19.05. kann man im Dorotheum die zum Verkauf stehende Fahrrad-Sammlung des Wiener Architekten Michael Embacher besichtigen.

Die Sammlung gehört zu den weltweit meist beachteten. Ausstellungen im MAK – Österreichisches Museum für angewandte Kunst, im Portland Art Museum (Oregon, USA), im Design-Museum Holon (Israel) und im Wiener Museums-Quartier hoben ihre Bedeutung über die Jahre hervor.

Das MAK und Michael Embacher ermöglichten 2013 dem Vienna Tweed Ride einen durch Embacher selbst geführten Besuch der Ausstellung „Tour de Monde“, woran wir immer sehr gerne zurückdenken.

Embacher machte in der Vergangenheit seine Sammlung auf Anfrage jedem gerne zugänglich, es gab zwei wunderbare Bücher, sogar eine App und die erwähnten Ausstellungen.

Doch niemals (auch nicht auf Embachers Dachboden) konnte man die guten Stücke so kompakt und genau und von allen Seiten betrachten wie derzeit im Dorotheum.

Noch ein letztes Mal lassen sich Rahmen und Ausstattungs-Konfigurationen in aller Ruhe am Original studieren. Diese Chance sollte man ergreifen! Nach Rahmenfarbe geordnet wird die Sammlung in einem Saal im ersten Stock des Dorotheums präsentiert. Die Anordnung mag zunächst eigenwillig anmuten, ergibt aber Sinn. Durch die farbliche Ordnung wird die dichte Aufstellung nicht buntscheckig, die gemischten Typen dagegen halten den Blick für das Besondere jedes Stückes frisch.  Immerhin sind im Katalog 202 Exponate aufgeführt.

Apropos Katalog: auch hier geht Embacher eigene Wege. Der Katalog ist formal-konsequent im Stile eines Farbfächers angelegt. Durch die Fülle der Seiten daher leider nur bedingt handlich, dafür übersichtlich und platzsparend im Bücherschrank. Preis: EUR 30,– (nur im Dorotheum erhältlich, oder online dort bestellbar; ein Tipp für Sammler).

Ein Wort zum Zustand und den Ausruf-Preisen: Alle Räder sind weitgehend original erhalten, damit ist bei einigen (sehr wenigen) Exemplaren auch die Fahrtüchtigkeit nur eingeschränkt gegeben. Wenn es nicht gerade Einzelstücke oder extrem rate Exemplare sind, dürfte auch der Ausruf-Preis für ernsthaft Velo-Affine keine Abschreckung sein. Man darf auf die erzielten Preise gespannt sein!

Hier Impressionen meiner Lieblingsstücke (leider nur Handyfotos)

Vorbesichtigung noch bis zum 19.05.2015
Auktion am: 19.05.2015 um 17:00
Palais Dorotheum, Dorotheergasse 17, 1010 Wien

Weiterführende Links:
Publikationen zur Sammlung: Bibliographie
Onlinekatalog der Auktion: Bicycles from the Embacher Collection
Website der Embacher Collection: Embacher Collection

Ich baue mir ein Reiserad

Mich beschäftigt die Frage, welches das ideale Fahrrad ist, um weite Distanzen zu bewältigen. Im Selbstversuch kombiniere ich verschiedene Rahmen und Komponenten auf verschiedenen Distanzen mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten. Aber man spürt: da gibt es mehr. Mit Technik und Kondition allein lässt sich keine gelungene Radreise machen. Bald schon entdeckt man einen zweiten Weg, den der inneren Reise. Ab dem Moment verlässt man den Mainstream und geht eigene Wege. Im idealen Reiserad manifestieren sich die Erkenntnisse.

Dominiks Reiserad

Dominiks Reiserad (Galerie am Ende des Beitrags)

Auf meinem Weg zum idealen Fahrrad begegnen mir interessante Menschen die auf eigenen Wegen zu ihrem Fahrrad finden. Diesmal Dominik, den ich für tweedride.at interviewt habe:

tweedride.at: Dominik, Du hast Dir letztes Jahr einen Maßrahmen selbst gebaut der seit zwei Monaten fertig ist. Für viele Fahrrad-Freunde ist das ein lang gehegter Traum. Gründe gibt es viele das zu tun, was waren Deine?

Dominik: Dem Projekt ging gar kein so lang gehegter Traum vorweg. Ich hab mich In den letzten Jahren einfach ausgiebig mit dem Thema „Fahrrad“ auseinandergesetzt – ob beruflich als Verkäufer in einem Fahrradgeschäft oder im Studium. Das Thema fasziniert mich und dass ich Fahrräder zur alltäglichen Fortbewegung, als Sportgerät und Reisegefährt verwende, muss ich wahrscheinlich nicht erwähnen.
Das Rahmenbau-Seminar war der logische nächste Schritt noch tiefer in die Materie einzutauchen und weitere Aspekte kennen zu lernen. Es ging mir um ein Verständnis für Geometrie und ich hatte irrsinnige Lust mich handwerklich zu betätigen.

TRV: Kannst Du uns etwas über den Rahmenbauer erzählen?

D: Röbi (Stolz) baut seit knapp 30 Jahren Fahrräder in Zürich und hat somit extrem viel Know-how über Jahre hinweg angesammelt. Stefan (Bellini) kommt aus der Metallverarbeitung und beherrscht den Umgang mit Stahl. Sympathisch bei den beiden war mir von Anfang an, dass sie mir die Angst vor dem „Selbermachen“ nahmen als Laie hatte ich Sorge etwas falsch zu machen. Erst mit der Zeit habe ich ein Verständnis für das Handwerk bekommen und gemerkt wie schön es ist am Ende auch zu sehen, dass man selbst am Werk war. Es ging nie darum ein perfektes Rad zu bauen sondern ein eigenes.
Die beiden verfolgen also einen sehr bodenständig Zugang und kombinieren Funktionalität mit klarem Design auf hohem handwerklichen Niveau anstatt Fahrräder hochzustilisieren und unterschiedlichen Trends hinterher zu laufen.

TRV: Wie hast Du Dich auf die Planung vorbereitet, oder mit welchen Vorstellungen hast Du mit der Planung begonnen?

D: Meine ersten Überlegungen machte ich bei der letzten Radreise mit meiner Lebensgefährtin während ich auf meinem sportlichen Randonneur v.a. die Fahrbahn vor mir sah, saß sie aufrechter auf ihrem Rad und konnte die Umgebung viel besser wahrnehmen und genießen. Es ist schon amüsant, je länger ich Fahrrad fahre desto mehr erkenne ich, dass ich jahrelang teilweise idiotischen Vorstellungen hinterhergelaufen bin. Anstatt darauf zu achten, dass ich mich rund um wohl fühle habe ich so manches für die Prämisse „schneller/weiter/leichter“ geopfert. Das neue Rad sollte mir also zu einer neuen Perspektiven verhelfen – es gibt viel zu entdecken, wenn man nur über den eigenen Sattelrand blickt.

TRV: War Dir schon bei der Skizze klar, welche Komponenten Du verbauen willst?

Rahmen entwerfen und 1:1 Skizze anfertigen

Rahmen entwerfen und 1:1 Skizze anfertigen

D: Die Skizze entstand in den ersten Tagen in der Werkstatt. Da musste ich schon ziemlich genau wissen was ich will, da es natürlich einen großen Unterschied macht ob man ein Rennrad oder ein Reiserad baut.
Aber bevor wir mit dem Entwerfen begonnen haben konnte ich unterschiedliche Räder ausprobieren und auf einem verstellbaren Fahrrad-Dummy auf die Suche nach meiner gewünschten Sitzposition gehen. Erst dann begannen wir zu zeichnen – das geschah übrigens mit Bleistift und Papier im Maßstab 1:1 und war wohl der prägendste Teil des ganzen Seminars. Es ist großartig wie vor einem ein neues Fahrrad entsteht und sämtliche Überlegungen zum ersten Mal sichtbar werden.
Die Ausstattung hab ich mir schon vor dem Kurs überlegt. Auf jeden Fall wollte ich eine Nabenschaltung und da das Rad tourentauglich sein sollte gab es an der Rohloff-Schaltung keinen Weg vorbei. Ansonsten wollte ich die Komponenten einfach halten – mir wurde im Kurs bewusst wie konservativ ich bei der Ausstattung eines Fahrrad bin. Während andere mit Riemenantrieb, elektrischen Schaltungen und Federgabeln experimentierten – Scheibenbremsen scheinen ohnehin schon Pflicht zu sein – sinnierte ich darüber ob ich einen Radständer montieren möchte oder nicht.

TRV: Die 26“ Laufräder und die Lenkstange fallen an Deinem Rad als erstes auf. Warum 26“ und warum kein Rennradlenker?

D: Die Entscheidung war einfach. Da ich schon ein wirklich tolles Fahrrad mit 28″-Reifen und Rennlenker habe, wollte ich bei diesem möglichst viel anders machen. Also wenn eine „entweder-oder-Entscheidung“ anstand musste ich nur kurz überlegen was ich schon habe. Weitere Kriterien waren, dass es möglichst einfach aber vielseitig sein sollte – ich wollte einen Kompromiss finden, der möglichst viele Bedürfnisse und Anforderungen abdeckt.
Die 26″ Laufräder waren mir aber auch deshalb ein Anliegen, da die Fahrradindustrie momentan wieder einmal der Meinung ist, das Rad neu erfinden zu müssen und Jahr für Jahr neue Erkenntnisse präsentiert welche Laufradgröße die wohl bessere ist. Diese Diskussion dient in meinen Augen ausschließlich dazu neue Kundennachfrage zu kreieren. Ich wollte diese Diskussion umgehen und habe mich auch deshalb für 26″ entschieden. Darüber hinaus sind die tatsächlichen Unterschiede zwischen den unterschiedlichen Reifenmaßen wirklich marginal. Da spielt die Geometrie des Rahmens eine viel wesentlichere Rolle.

TRV: Was zeichnet deinen Rahmen gegenüber anderen aus?

Rahmen löten

Rahmen löten

D: Spätestens auf den zweiten Blick fällt das relativ sehr lange Steuerrohr auf. Auch der Steuerrohrwinkel ist recht steil und erinnert mehr an ein Bahnrad als an ein Tourenrad. Beides kann man wahrscheinlich an keinem Rad von der Stange finden und ergab sich v.a. aus meiner gewünschten Sitzposition und Lenkgeometrie.
Wie schon angesprochen wollte ich aufrechter sitzen als auf meinen bisherigen Rädern. Kombiniert mit meiner Körpergröße und den kleineren Laufrädern ergibt sich so das lange Steuerrohr. Da ich auch ein dynamisches Fahrverhalten erreichen wollte wählte ich den steilen Steuerrohrwinkel. Das ist zwar untypisch für ein Tourenrad aber ich bin auch viel mit meinem Brompton unterwegs und ich hab die direkte Lenkung sehr zu schätzen gelernt – ein ähnliches Lenkverhalten hab ich mir schon immer auch bei einem großen Rad gewünscht.

TRV: Wie läuft der Rahmenbau in der Werkstatt konkret ab? Wie lange dauert es, was kann man an einem Tag schaffen? Geht es um Präzision oder um Kraft?

D: Wie lang es dauert hängt natürlich von den eigenen Fähigkeiten und dem zur Verfügung stehenden Materialien und Werkzeug ab. Kraft braucht man keine sofern man das richtige Werkzeug hat.
Nur für das Bauen des Rahmens hab ich 8 Tage benötigt während Stefans Rekord für einen gemufften Singlespeed-Rahmen bei 8 Stunden liegt. Wir haben aber kaum eine Gelegenheit ausgelassen um, bei einer Tasse Kaffee, über Details zu plaudern oder in den unzähligen Fahrradpublikationen zu blättern, die in der Werkstatt rumlagen.
Die meiste Zeit nimmt eigentlich das Vorbereiten der Rohre bzw. Nachbearbeiten der Lötstellen in Anspruch. Die Rohre müssen alle gesäubert, abgelängt und auf Gehrung gefräst werden – ohne Erfahrung habe ich mich Millimeter für Millimeter herangetastet und oft ein und das selben Rohr 4, 5 Mal in den Fräser eingespannt bis es die richtige Länge hatte. Das Löten selbst ist relativ schnell erledigt aber im Anschluss nimmt man Feile und Schleifpapier in die Hand und versucht die Übergänge zwischen den Rohren sauber hinzubekommen und das dauert eben seine Zeit.

Lötstellen verputzen

Lötstellen verputzen

TRV: Musstest Du bei der Umsetzung Kompromisse machen, oder deine Planungen spontan adaptieren?

D: Es lief fast alles nach Plan; nur die Gabel war dann doch ein kleiner Kompromiss da nicht das richtige Material lagernd war. Den Rahmen hab ich im fillet-braze Verfahren gelötet bei dieser Variante des Lötens wird sehr viel Lot aufgetragen und die Lotstellen am Ende verschliffen so dass die Rohre gleichmäßig ineinander übergehen. Weiters hab ich bi- bzw. querovale Rohre mit großem Durchmesser verwendet. Der Rahmen ist also massiv und schreit förmlich nach einer genau so massiven Uni-Crown-Gabel – doch genau das war dann leider nicht möglich. So wird der massige Rahmen durch eine zierliche und gemuffte Gabel kontrastiert – zumindest die Muffen hab ich mit dem Dremel noch nachbearbeitet dass sie nicht ganz so filigran wirken.

TRV: In welche Fehler-Fallen kann man bei einem solchen Projekt tappen?

D: Fehler-Quellen gibt es zur Genüge. Während des ganzen Kurses sind uns immer wieder Negativ-Beispiele präsentiert worden – wir haben also relativ bald ein Gespür dafür bekommen wo es heikel werden kann. Allergrößte Bedeutung hat natürlich der Entwurf – die Maße müssen stimmen und es darf beim Montieren zu keinen bösen Überraschungen kommen: Fußfreiheit, Tretlagerhöhe, Platz für Schutzbleche und andere Anbauteile müssen eingeplant werden.
Da wir das Rad im Maßstab 1:1 gezeichnet hatten, konnten wir den Rahmen oder Teile davon in jeder Phase zur Kontrolle an die Zeichnung halten. Das half größere Fehler zu vermeiden – zumindest in der Geometrie.
Passen die Proportionen, muss natürlich beim handwerklichen Teil noch alles klappen. Wir haben mit guten Rohrsätzen gearbeitet die unterschiedliche Wandstärken besitzen und an den dünnsten Stellen nur knapp einen halben Millimeter dick sind – hält man die Flamme beim Löten also zu lange auf den selben Punkt schädigt man umgehend das Material. Auch beim Verschleifen der Lötstellen ist Vorsicht angesagt, denn es hätte fatale Folgen, wenn man vor lauter schleifen vergisst, wie dünn das Material ist.

TRV: Kannst und willst Du mit Deiner Erfahrung auch für andere Rahmen bauen?

D: Ich will auf jeden Fall wieder einen Rahmen bauen und bin auch optimistisch das ich es hinkriegen würde – auch wenn es vielleicht noch mehr Zeit und Aufmerksamkeit in Anspruch nehmen wird. Das große Problem ist aber die Werkstatt. Man braucht Platz und v.a. viele Spezialwerkzeuge die nicht ganz billig sind. Ich bin im Moment auf der Suche und überlege wie ich mit dem Rahmenbau weitermachen kann.

TRV: Was würdest Du anderen raten, die auch den Wunsch hegen sich selber einen Rahmen zu bauen?

D: Geld sparen und sich bewusst darüber werden, dass es nicht nur positives hat wenn man weiß womit man unterwegs ist – ich frag mich hin und wieder ob überall genug Lot geflossen ist oder ob ich an der einen oder anderen Stelle nicht zu viel weggeschliffen hab.

Der Rahmen ist fertig, es folgen der Lack und der Aufbau

Der Rahmen ist fertig, es folgen der Lack und der Aufbau

TRV: Zum Abschluss: was wird Dein erstes großes Ziel mit Deinem neuen Rad sein, wann geht’s los?

D: Ich fahre jedes Jahr dem Frühling entgegen – Ende März geht es nach Istrien und ich bin schon mehr als gespannt wie sich das Rad auf einer längeren Tour anfühlt, welche neuen Perspektiven es mir ermöglicht und ob es den Schotterpisten standhält.  

(Galerie: anklicken zum vergrößern)

das Interview hat David von tweedride.at geführt
Fotos: Dominik

Weiterführende Links:
http://fahrradbaustolz.ch/de/blog